Effizient und erfolgreich mit Business Units

am Beispiel einer Fallstudie aus der Praxis

Autoren:

  • Bastian Imhof, Associate Partner
  • Niklas Klausch, Associate
  • David Enzenhöfer, Manager

„Herausfordernd und schnelllebig“ – so beschreibt der Inhaber und Geschäftsführer der Centrio GmbH im Auftakttermin die aktuelle wirtschaftliche Lage für sein mittelständisches Unternehmen. Gestartet als 10-köpfiger Betrieb mit starken operativen Margen im Maschinenbau (> 25% operative Marge), ist die Centrio GmbH mittlerweile ein etabliertes Unternehmen am Markt über mit 1,2 Mrd € Umsatz und global 4.150 Mitarbeiter. Das Unternehmen verzeichnete in den vergangenen 10 Jahren ein signifikantes, meist zweistelligem Wachstum, u.a. auch bedingt durch eine weltweite Expansion. Nichtsdestotrotz kämpft die Centrio GmbH, wie viele andere Unternehmen nicht nur in der Maschinenbaubranche, gegen die globalen Herausforderungen – wie z. B. den steigenden Margendruck an. Durch den technologischen Wandel schwindet der eigene Wettbewerbsvorteil im Markt seit Jahren und die operative Marge bewegt sich mittlerweile im Bereich unter 10%. Gleichzeitig ändern sich die lokalen Anforderungen und Wünsche der Kunden, sodass die Erwartungen an das Produkt oftmals komplexer werden.

In diesem Spannungsfeld zwischen globaler Effizienz werden die historisch gewachsenen Organisationsstrukturen und Prozesse der Centrio GmbH vor Herausforderungen stehen.

In der bisherigen, funktionalen Organisationsstruktur der Centrio GmbH sind die Probleme aufgetreten, welche man funktional ausgerichteten Organisation oft nachsagt: Verlangsamte Time-to-Market-Prozesse, stagnierende Umsätze, Strukturkosten, die schneller steigen als der Umsatz, sowie eine Verlangsamung von Entscheidungsfindung und Umsetzung aufgrund „Silodenken“. Unser Beispiel ist kein Einzelfall. Nahezu jedes Gespräch mit unseren mittelständischen Kunden zeigt ähnliche Herausforderungen in einem vergleichbar dynamischen Marktumfeld.

Unsere Erfahrung zeigt, dass die Business Unit Struktur folgende zentrale Vorteile mit sich bringt:

  • Stärkung der Kundenorientierung durch die Übernahme von End-2-End Verantwortungen innerhalb der Business Units
  • Schaffung autonomer, marktorientierter und unternehmerisch denkender Einheiten – kein Denken mehr in Legaleinheiten
  • „Einfache und klare Führbarkeit“ mit hoher Transparenz sowie Entscheidungsschnelligkeit
  • Schlanke und flexible Strukturen/Prozesse – innerhalb der Business Units und an den Schnittstellen zu den Zentralbereichen
  • Corporate und Service Funktionen als unterstützendes und übergreifendes Glied zu den Business Units

Gemeinsam mit der Centrio GmbH haben wir im Rahmen unseres Beratungsprojektes eine klare Roadmap mit definierten Zielen und festen Meilensteinen entwickelt, die im Einklang mit der zuvor definierten Vision stand.

H&C Vorgehen zur Entwicklung und Umsetzung einer Business Unit Strukturen

1. Kommunikation, Change-Management & Coaching als begleitender Bestandteil während der gesamten Transformation

Die Transformation der Centrio GmbH in eine Organisation mit Business Units war ein umfassender Prozess, der tiefgreifende Veränderungen in der Organisation erforderte. Wichtige Faktoren waren daher eine klare und transparente Kommunikation, gezieltes Coaching der Führungskräfte, regelmäßige Prozessupdates ohne die Organisation über Details zu informieren und ein begleitendes Change-Management während des gesamten Transformationsprozesses. Gemeinsam mit der Organisation setzten wir fortschrittliche Change-Management Strategien ein, um eine strukturierte und effektive Umsetzung zu gewährleisten. Schließlich war es entscheidend, die Akzeptanz und erfolgreiche Umsetzung durch die Mitarbeiter, die das zentrale Element der Transformation darstellen, mit Hilfe eines erfahrenen Beraterteams sicherzustellen.

2. Analyse und Aufbau der Zielstruktur

Entscheidend war es im ersten Schritt für die Umsetzung eine Zielstruktur und ein Zielbild für die Centrio GmbH zu entwickeln, die auf Basis von Business Units auf den Kunden ausgerichtet ist, aber auch Agilität und Innovation fördert. Mithilfe der H&C Toolbox konnten wir gemeinsam in wenigen Wochen eine Business Unit basierte Zielstruktur für die Organisation schaffen.

Zu Beginn war es essentiell die Aktivitäten, Kapazitäten und Strukturen aufzunehmen und auf den Prüfstand zu stellen. Hierzu nutzten wir u.a. die webbasierte Aktivitätsanalyse über zentralen/dezentralen Einheiten mit dem H&C Activity Radar, sowie die Analyse der aktuellen Organisationsstruktur mit dem H&C Org Radar. Ziel war es eine Kapazitätserhebung, eine Organisationsanalyse durchzuführen und mithilfe von internen/externen Benchmarking den aktuellen Status Quo zu erfassen. Weiterführend sollten Verbesserungspotentiale aufgedeckt und strukturelle/personelle Maßnahmen abgeleitet werden. Auf Basis dessen konnten wir eine vollumfängliche Transparenz sämtlicher organisatorischer Aktivitäten schaffen, die Organisationsstrukturen/-abläufe simulieren und gemeinsam mit der Centrio GmbH die weiteren Schritte, mithilfe einer Maßnahmen-Shortlist, entwickeln.

Im aktuellen Projektbeispiel waren insbesondere die nachfolgenden Themen für die Organisation wichtig:

  • Markt- & Kundennähe:

Um wieder Marktführer zu werden, neue Kunden zu gewinnen und diese langfristig an die Centrio GmbH zu binden war es wichtig, dem Kunden ein ganzheitliches Kundenerlebnis (Customer-Journey) zu bieten. Dieses umfasst sämtliche Phasen von der Produkterstellung, über Marketing, Vertrieb, Kundenservice bis hin zur adäquaten Nutzung der Produkte. Weiterhin war es die Vision näher am Kunden zu sein, auf ihr Feedback zu reagieren und Produkte sowie Dienstleistungen entsprechend maßgeschneiderter anzubieten.

H&C Umsetzung: Die Umstellung von einer funktionalen Organisationsstruktur auf eine produktorientierte (und somit auch auf die Kunden ausgerichtete) Organisationsstruktur in Form von Business Units war hierfür entscheidend. Hierdurch wurden die Mitarbeiter und Teams zentral in Business Units mit konkreten Produktlösungen ausgerichtet und bildeten somit die zentralen Organisationseinheiten. Durch die Zentralisierung der jeweiligen Produktlösungen können die jeweils untergeordneten und spezialisierten Fachabteilungen (Vertrieb, Entwicklung, etc.) ihre Ressourcen effizienter einsetzen und müssen sich nicht mehr auf verschiedene Produkte verteilen. Aufgrund der stärkeren Nähe der Mitarbeiter am Produkt selber, und somit auch am Kunden und an der Branche, ist es möglich als Unternehmen dem Markt gerechter werden und auf Marktveränderungen schneller reagieren. Dies zeigt sich aus unserer Erfahrung auch durch steigende Umsätze bei sinkenden Strukturkosten. Übergreifende Corporate- und Service Funktionen (u.a. Finance, IT, Personal), die keinen direkten Produktbezug haben, wurden separat unter der Geschäftsführung verortet und agieren unterstützend und bereichsübergreifend. Insgesamt können durch die Gestaltung der Organisationsstruktur rund um die Produktlösung Ressourcen gezielter innerhalb der Business Units eingesetzt und Innovationen gefördert werden.

  • Agilität und schnelle Anpassungsfähigkeit:

Um kurzfristiger auf technologische Entwicklungen und sich ändernden Kundenanforderungen reagieren zu können, war es für die Centrio GmbH essentiell, eine neue und agile Unternehmens-struktur zu schaffen. Dies ermöglicht nicht nur eine verbesserte Anpassungsfähigkeit, sondern legte auch den Grundstein für nachhaltigen Erfolg in einem dynamischen Marktumfeld.

H&C Umsetzung: Entscheidend war die gemeinsame Einführung von multidisziplinären Teams, welche die Kerncharakteristik von agilen Arbeiten darstellt. Ein guter Ansatz ist beispielsweise das Projektmanagement agil zu organisieren und die Mitarbeiter nach ihrem individuellen Skillset einzusetzen als nur nach Funktionen. Somit können Mitarbeiter kurzfristig je nach Spezialisierungen/Know-How und Projektspezifika zusammengestellt werden.

Aus unserer Projekthistorie heraus zeigen sich die folgenden Leitlinien:

  1. Für jede Leistung gibt es einen internen oder externen Kunden
  2. Jede Leistung hat einen echten Kundennutzen
  3. Einfache, aber schnelle Lösungen sind besser als 100 Prozent-Lösungen in ferner Zukunft
  4. Laufende Kommunikation zwischen Individuen ersetzen langfristige Detailpläne
  5. Und wenn es nicht klappt: „Kill early, kill cheap – and celebrate the funeral“

Vielfältige Erfahrungen belegen, dass in diesem Stil gestartete Projekte und Entwicklungen zu deutlich kürzeren Durchlaufzeiten, vor allem aber zu besseren Ergebnissen führen: Das, was sich der Auftraggeber vorstellt, wird – dank kontinuierlicher enger Abstimmung – auch schnell und im Zeitverlauf vollständig erreicht. Darüber hinaus ist eine „agile“ Zusammenarbeit auch ressourcen-effizienter: Es wird nur an den Themen gearbeitet, die auch einen Nutzen bringen, ansonsten werden die Kräfte auf neue Aufgaben konzentriert. Mit anderen Worten: Unzufriedene interne oder externe Kunden, Ping-Pong-Prozesse und Blindleistungen können minimiert werden. Für den Aufbau und die Steuerung von multidisziplinären, agilen Entwicklungsteams finden sich zahlreiche Orientierungen in der Tech-Industrie („Spotify-Organisation“) mit z.B. Tribes, Chapters, Squads und Circles.

  • Klare P&L Verantwortung und schnelle, eigenverantwortliche Entscheidungsfindung:

Funktionale Silos und lange, intransparente Entscheidungswege innerhalb der Centrio GmbH waren große Problemstellen innerhalb der Organisation, die zu ineffizienten und wenig kundenorientiertem Auftreten führten.

H&C Umsetzung: Gemeinsam mit der Centrio GmbH haben wir klare P&L Verantwortungen innerhalb der Business Units geschaffen. Mithilfe dessen war jede Führungskraft für den eigenen Bereich innerhalb der Business Unit verantwortlich und wurde an der eigenen P&L Performance (bspw. EBIT) gemessen. Somit konnten Entscheidungen innerhalb des eigenen Verantwortungs-bereichs einfacher und insbesondere eigenverantwortlich getroffen werden. Zuvor war bei der Centrio GmbH in nahezu allen Fällen eine Freigabe der Geschäftsführung notwendig, welche lange und ineffiziente Abstimmungsprozesse über Bereichsebenen hinweg mitbrachte. Gleichzeitig konnten wir hierdurch die Zusammenarbeit und die Kommunikation innerhalb der Organisation verbessern, sowie dazu beitragen, Doppelarbeit zu vermeiden und die Effizienz zu steigern.

3. Entwicklung Blue-Print Organisationsstruktur

Auf Basis der Organisationsanalyse im vorherigen Schritt konnten wir gemeinsam mit dem Management ein Blue-Print der neuen Organisationsstruktur (Führungsebene 1-3) für die Centrio GmbH entwickeln (siehe nachfolgende Abbildung). Mithilfe der zuvor analysierten und ausdef-inierten Zielstruktur haben wir somit strukturelle Leitlinien, bewertete Struktur-Optionen und ein ausgereiftes Detail-Organigramm ausgearbeitet, welches das Grundelement für die Transformation darstellte.

Im Rahmen unserer Erfahrung sehen wir zwei verschiedene Vorgehensweisen hinsichtlich der Ausgestaltung und der Entwicklung des Blue-Prints, die abhängig von den zeitlichen Rahmen-bedingungen sind:

  • Option 1: Quick top-down Blue-Print mit den Führungsebenen 0/1, bei dem innerhalb von 3-4 Workshops der Blue-Print entwickelt wird und sich insbesondere für zeitkritische Transformationen eignet
  • Option 2: Partizipativer/agiler Ansatz der Reorganisation unter Einbezug der jeweiligen Fachbereiche, welcher zwar einen langwierigeren Prozess „über Monate“ darstellt, aber zeitgleich erhöht dieser, durch die aktive Einbindung, die Akzeptanz der Mitarbeiter für die Transformation.

In unserem Beispiel haben wir uns gemeinsam mit der Centrio GmbH für die zweite Option entschieden und mithilfe der Organisation innerhalb von etwa 5 Monaten das Zielbild (siehe nachfolgende Abbildung) entwickelt.

4. Transformation Office mit Erfolgsmessung

Die Zielstruktur auf Basis von Business Units hat den Grundstein für eine erfolgreiche Transformation hin zu einer agileren und produktorientierten Organisation gelegt. Um die Transformation, sowie die Umsetzung und Implementierung zu überwachen und zu steuern haben wir gemeinsam mit der Centrio GmbH ein Transformation Office etabliert. Das Transformation Office, bestehend aus abteilungsübergreifenden Führungskräften, agierte als zentrale Schnittstelle zwischen der operativen Einheit und der Management Ebene. Zu den Aufgaben zählten:

  • Unterstützung der Stakeholder bei der Planung und Implementierung der Projekte
  • Entwicklung und Umsetzung der Projektsteuerung
  • Überwachung und Einführung von projektspezifischen Milestones
  • Bereitstellung von Konzepten zur effizienteren Umsetzung
  • Coaching & Support der Mitarbeiter/Projektleiter

In Zusammenarbeit mit der Vorstandsebene stellte das Transformation Office sicher, dass die operative Umsetzung in der Organisation reibungslos funktionierte und Herausforderungen proaktiv angegangen wurden. Der koordinierte Ansatz garantierte schlussendlich den Transformationserfolg.

Basierend auf vergleichbaren Projekten zeigte sich ebenfalls, dass die Etablierung von Messgrößen während der Transformation ein entscheidender und erfolgskritischer Faktor ist. Das Transformation Office der Centrio GmbH implementierte gemeinsam mit H&C drei führende Maßnahmen, um den Wandel zu überwachen und zu steuern:

  1. Erfolgsmessung: Der erste Schritt konzentrierte sich darauf, sicherzustellen, dass die Transformation innerhalb der Organisation positive Auswirkungen auf die angestrebten Geschäftskennzahlen (KPIs) hatten. Die Transformationserfolge wurden anhand dieser quantifizierbaren KPIs bewertet. Eine gute Methode für die Messung des Transformationserfolges sind Pulse Checks (Soft Facts). Diese werden typischerweise vom Transformation Office begleitet und durchgeführt (Messung Stand der Übergabe des Transformationserfolg, Mitarbeiterzufriedenheit, etc.).
  2. Förderung der Verhaltensübernahme: In dieser Phase konzentrierten wir uns darauf, durch gezielte Maßnahmen und Workshops sicherzustellen, dass die Teams die vorgegebenen Reifestufen entsprechend den festgelegten Meilensteinen erreichten. Um dies zu erreichen, wurden systemische Barrieren identifiziert und angegangen, die den Fortschritt hin zu diesen Meilensteinen behindern könnten, wie etwa Kommunikationslücken oder Widerstände gegenüber neuen Arbeitsweisen. Ein zentraler Ansatz bestand darin, die Teams aktiv in den Prozess einzubinden und für die Notwendigkeit des Wandels zu sensibilisieren, um eine breite Akzeptanz und Engagement für die Veränderungen zu fördern.
  3. Initiierung des Verhaltenswandels: Innerhalb des ersten Jahres sollte die Transformation in 75% des Unternehmens angestoßen werden. Das Transformation-Office spielte eine Schlüsselrolle bei der Überwachung dieser Entwicklung, indem es regelmäßige Pulse Checks durchführte, um einen tieferen Einblick in den Fortschritt, die Herausforderungen und die Wirkung auf die Mitarbeiter zu erhalten. Diese Checks ermöglichten es, den Grad der Akzeptanz und das Engagement der Mitarbeiter für den Kulturwandel zu messen und zu verstehen, inwiefern die Veränderungen im Arbeitsalltag der Mitarbeiter verankert waren. Ziel war es, eine detaillierte Momentaufnahme zu erhalten, die es dem Management ermöglichte, gezielt Unterstützung anzubieten und Anpassungen vorzunehmen, um den Transformationsprozess erfolgreich voranzutreiben.

Neben den führenden Indikatoren wurden auch weitere Indikatoren verfolgt, die Aspekte wie Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit, Liefergeschwindigkeit und Qualität abdeckten. Diese Indikatoren boten einen Einblick in die langfristigen Auswirkungen der eingeführten Veränderungen und halfen dabei, den tatsächlichen Einfluss der Transformation auf die Centrio GmbH zu verstehen. Eine regelmäßige Überwachung der Kundenzufriedenheit durch Umfragen und Feedbacksysteme, die Bewertung der Mitarbeiterzufriedenheit als Indikator für die interne Zufriedenheit, sowie die Verbesserung der Liefergeschwindigkeit für einen Wettbewerbsvorteil waren entscheidend für die Stabilität und Nachhaltigkeit der Transformation.

Obwohl diese rückläufigen Indikatoren eine gewisse Verzögerung in der Berichterstattung aufwiesen, generierten sie wertvolle Erkenntnisse. Die ersten positiven Ergebnisse bestätigten nicht nur die Wirksamkeit des gewählten Ansatzes, sondern dienten auch als Motivation für die gesamte Belegschaft der Centrio GmbH, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen und sich weiterhin für die Veränderungen zu engagieren.

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