In der heutigen digitalen Welt spielen große Technologieunternehmen eine immer bedeutendere Rolle im Finanzsektor. Ein hervorstechendes Beispiel dafür ist Apple, das mit seinen vielfältigen Finanzdienstleistungen und seiner weit verbreiteten Zahlungsplattform Apple Pay bereits tief in den Markt eingedrungen ist. Doch was passiert, wenn Apple beschließt, weitere Finanzdienstleistungen anzubieten oder sogar eine eigene Kryptowährung einzuführen? Welche Auswirkung könnte dies auf den digitalen Euro haben? In diesem Gedankenspiel werfen wir einen genaueren Blick auf diese Fragen und beleuchten die potenziellen Risiken und Chancen.
Apple hat sich in den letzten Jahren als bedeutender Akteur im Finanzsektor etabliert. Mit Diensten wie Apple Pay, Apple Card und Apple Cash bietet das Unternehmen bereits eine Vielzahl von Finanzdienstleistungen an, die in direkter Konkurrenz zu traditionellen Banken stehen. Doch die Pläne von Apple könnten noch weiter gehen: Nach eigener Aussage beschäftigt sich Apple mit Kryptowährungen und behält die Marktentwicklungen im Blick. Was wäre nun, wenn Apple eine eigene, unabhängige Kryptowährung auf den Markt bringen würde? Diese Entwicklung könnte erhebliche Auswirkungen auf den Erfolg des digitalen Euros haben, den die Europäische Zentralbank (EZB) derzeit plant.
Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die Frage, warum Apple an einer eigenen Kryptowährung interessiert sein könnte. Bevor wir näher auf die Vor- und Nachteile eingehen, lasst uns erstmal schauen, wie Apple eine Kryptowährung einsetzen würde. Grundsätzlich kommen 2 Arten in Frage: Ein eigenständiger „Apple Coin“ mit eigenem Wert oder ein Stablecoin, der an den Dollar oder Euro gebunden ist. Ein Apple Coin wäre dabei eine Kryptowährung, dessen Wert durch Marktangebot und -nachfrage bestimmt wird und als Alternative zu traditionellen Währungen und Anlageformen dienen könnte. Ein Apple Stablecoin wäre eine Kryptowährung, deren Wert an eine stabile Reserve wie eine Fiat-Währung (z. B. US-Dollar) oder andere Vermögenswerte gekoppelt ist, um Preisschwankungen zu minimieren. Um den späteren Vergleich mit dem digitalen Euro zu ermöglichen, gehen wir im Weiteren nur auf eine Stablecoin-Lösung ein. Grundsätzlich lässt sich der Stablecoin in einem Token oder Account-Modell umsetzen (näheres dazu in diesem Blog-Beitrag). Der Einfachheit halber gehen wir hier von einem tokenisierten Modell aus.
Apple könnte für die Verwaltung der Wallets, die Stablecoins speichern, die bereits vorhandene iPhone-Infrastruktur nutzen. Das iPhone verfügt jetzt schon über die Apple Wallet App, die neben Flugtickets auch Kreditkarten für Apple Pay speichert. Eine Erweiterung um eine Kryptowallet zur Aufbewahrung des Apple Stablecoins (oder sogar weiterer Kryptowährungen) könnte leicht umgesetzt und schnell an alle iPhone-Besitzer verteilt werden. Um die Bedeutung dieser bestehenden Infrastruktur zu beschreiben: In Nordamerika hat das iPhone Stand Q1 2024 einen Marktanteil von 52% und in Europa einen Marktanteil von 32%. Damit könnte Apple innerhalb von einem Update sofort mehrere Hundertmillionen Nutzern erreichen und sie auf den Apple Stablecoin umsteigen lassen.
Sobald ein Nutzer beschließt, eine Wallet auf seinem iPhone zu eröffnen und zu speichern, hat er die Möglichkeit, Guthaben aufzuladen (z.B. von der hinterlegten Kreditkarte). Im Hintergrund sammelt Apple die Überweisung ein und stellt dem Nutzer tokenisierte Apple Stablecoins im entsprechenden Wert aus. Diese Stablecoins können nun vom Nutzer an andere Nutzer gesendet werden (siehe Apple Cash). Durch die Tokenisierung wären zudem auch offline P2P-Transaktionen mit Tap to Cash möglich. Der Apple Stablecoin könnte nahtlos in Apple Pay integriert werden. Akzeptiert der Empfänger den Apple Stablecoin (z.B. durch Tap to Cash), könnte der Token einfach über die Apple Infrastruktur übertragen werden. Akzeptiert der Empfänger den Apple Stablecoin nicht (z.B. weil Apple Pay über ein herkömmliches Kartenterminal genutzt wird), kann Apple die bestehenden Stablecoins zurücknehmen, in „echte“ Euro umwandeln und über ein bestehendes Kreditkartennetzwerk abwickeln.
Der größte Vorteil für Apple ist die niedrige Einstiegsschwelle zum Ausprobieren und Nutzen einer Wallet und des Apple Stablecoin. Durch den großen Marktanteil des iPhones, insbesondere in Nordamerika wo solch ein Service als erstes veröffentlicht werden würde, und die Integrierung des Service in das bestehende Ökosystem könnte Apple sofort eine gewaltige Nutzerbasis bekommen. Der Erfolg eines solchen Apple Stablecoins könnte damit schon fast garantiert sein. Ein eigener Stablecoin könnte Apple helfen, seine Abhängigkeit von externen Zahlungsdienstleistern weiter zu verringern und die Kontrolle über die gesamte Zahlungsabwicklungskette zu erhalten. So bedürften Zahlungen bei denen 2 iPhones beteiligt sind, keines weiteren Zahlungsdienstleisters. Darüber hinaus könnte ein Apple Stablecoin neue Einnahmequellen schaffen und Apple einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Mit einem Apple Stablecoin könnte Apple auch seine bereits bestehenden Dienste, wie den App Store und Apple Pay, nahtlos integrieren und optimieren. Dies könnte den Nutzern zusätzliche Anreize bieten, sich stärker in das Apple-Ökosystem zu integrieren und dessen Dienste verstärkt zu nutzen. Ein weiterer Vorteil könnte die Erhöhung der Sicherheit und Privatsphäre bei Transaktionen sein, was dem Ruf von Apple als Datenschutz-Vorreiter zugutekommen würde.
Die Einführung eines Apple Stablecoins durch Apple könnte jedoch erhebliche Risiken für den digitalen Euro mit sich bringen. Der digitale Euro, der von der Europäischen Zentralbank (EZB) entwickelt wird, soll eine sichere und effiziente digitale Zahlungsmethode für den gesamten Euroraum bieten. Ziel dieses Projekts ist es, den Bürgern und Unternehmen eine zuverlässige und von einer staatlichen Institution unterstützte Alternative zu den bestehenden digitalen Zahlungsmethoden zu bieten. Doch die Konkurrenz durch einen starken, markengetriebenen Stablecoin wie von Apple, die wahrscheinlich eine hohe Nutzerbasis und das Vertrauen vieler Konsumenten genießen würde, könnte die Akzeptanz und Verbreitung des digitalen Euros erheblich beeinträchtigen. Solch einer von einem globalen Technologiegiganten eingeführter Stablecoin könnte das Vertrauen der Nutzer auf sich ziehen und die Position des digitalen Euros im europäischen Zahlungsverkehrssystem schwächen. Dies würde die Bemühungen der EZB, eine zentrale, sichere und einheitliche digitale Währung innerhalb der Eurozone zu etablieren, vor große Herausforderungen stellen.
Der Apple Stablecoin ist erstmal nur eine reines Gedankenspiel. Aber es gibt bereits andere Tech-Unternehmen, die diesen Weg gegangen sind. So hat PayPal den PayPal USD, kurz PYUSD auf den Markt gebracht. PYUSD ist eine von PayPal eingeführte Stablecoin, die an den US-Dollar gekoppelt ist. Sie wurde entwickelt, um Nutzern schnelle und kostengünstige digitale Zahlungen zu ermöglichen. So liegt das tägliche Transaktionsvolumen bei ca. 60 Millionen Dollar. PYUSD ist vollständig durch Reserven gedeckt, die hauptsächlich aus US-Dollar und US-Staatsanleihen bestehen, wodurch seine Stabilität gewährleistet wird. Zuerst veröffentlich wurde der PYUSD am 07. August 2023 und konnte im ersten Jahr eine Marktkapitalisierung von 788 Millionen Dollar erreichen.
Die Einführung eines eigenen Stablecoins durch Apple könnte sowohl Chancen als auch Risiken mit sich bringen. Einerseits könnte Apple durch die Schaffung eines Apple Stablecoins seine Position im Finanzsektor weiter stärken und neue Einnahmequellen erschließen. Der potenzielle Erfolg lässt sich gut im Vergleich mit PYUSD erahnen – fast 1 Milliarde Marktkapitalisierung innerhalb eines Jahres. Andererseits könnte dies den Erfolg des digitalen Euros gefährden, indem es die Akzeptanz und Verbreitung der neuen digitalen Währung beeinträchtigt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation entwickeln wird. Klar ist jedoch, dass die Rolle von Big Tech im Finanzsektor weiter zunehmen wird und dass Unternehmen wie Apple eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Zukunft des digitalen Zahlungsverkehrs spielen werden. Darüber hinaus könnte Apple von seiner riesigen Nutzerbasis und seinem bestehenden Ökosystem profitieren, um seinen Stablecoin schnell zu etablieren. Mit der Integration in Apple Pay und andere Dienste könnte der neue Stablecoin nahtlos in den Alltag der Nutzer eingebettet werden. Dies würde nicht nur den Komfort für die Nutzer erhöhen, sondern auch das Potenzial für neue Geschäftsmodelle und Partnerschaften eröffnen. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass die Dominanz von Apple im digitalen Zahlungsverkehr zu einer Marktverzerrung führen könnte, bei der kleinere Wettbewerber Schwierigkeiten haben könnten, sich zu behaupten. Schließlich wird auch die Regulierungslandschaft eine entscheidende Rolle spielen. Regierungen und Aufsichtsbehörden weltweit werden die Entwicklung genau beobachten und möglicherweise neue Vorschriften einführen, um sicherzustellen, dass solche digitalen Währungen sicher und stabil sind. Es bleibt spannend zu sehen, wie Apple und andere Technologieunternehmen diese Herausforderungen meistern und welche Innovationen sie in den digitalen Finanzmarkt einbringen werden.
Was denken Sie über die potenziellen Auswirkungen eines Apple Stablecoin von Apple auf den digitalen Euro? Teilen Sie Ihre Gedanken und Meinungen in den Kommentaren unten!
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