Das Greenhouse Gas Protocol, Scope 1, 2, 3 und deren Messung – kurz erklärt

Autoren:

  • Dr. Larissa C.S.K. Kersten, Senior Associate
  • Dr. Dirk D. Müller, Partner
  • Konstantin Schopper, Associate

Hintergrund

Das Greenhouse Gas Protocol (GHG-Protokoll) ist ein international anerkanntes Rahmenwerk für die Erfassung und Berichterstattung von Treibhausgasemissionen (THG). Es wurde vom World Resources Institute (WRI) und dem World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) entwickelt. Das Protokoll bietet Unternehmen (im Folgenden im Betrachtungsfokus), Regierungen und anderen Organisationen eine standardisierte Methode, um ihre Emissionen besser zu verstehen, zu erfassen, in einem Corporate Carbon Footprint zu quantifizieren und darüber zu berichten.

Treibhausgase

Treibhausgase ist der Oberbegriff für chemischen Verbindungen, die Wärme in der Erdatmosphäre binden. Diese Gase absorbieren die Sonnenstrahlung und verhindern, dass die aufgenommene Energie schnell ins Weltall entweichen kann. Treibhausgase wirken daher wie eine Isolationsschicht über der Erde und tragen zum Treibhauseffekt bei.

Auch wenn in der Diskussion um klimaschädliche Emissionen vor allem CO2 im Fokus steht, gehören ein Reihe weiterer Gase zu der Gruppe der chemischen Verbindungen, die in der Atmosphäre einen Einfluss auf die Energiebilanz der Erde haben. Neben Kohlendioxid (CO2), sind dies Distickstoffoxid (N2O), Methan (CH4) und vier Gruppen von fluorierten Gasen (Schwefelhexafluorid (SF6), teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (HFCs), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFCs) und Stickstoff-Trifluorid (NF3). Angegeben werden Treibhausgasemissionen in Tonnen Kohlendioxid-Äquivalenten (CO2e) – also dem Erwärmungspotenzial einer Tonne CO2.

Geltungsbereiche – „Scopes“

Das GHG-Protokoll besteht aus einer Reihe von Standards und Leitfäden, die dabei unterstützen, THG-Emissionen zu identifizieren, zu messen und, im Rahmen eines „Carbon Accounting“, zu managen. Es umfasst dabei drei Geltungsbereiche, sogenannte „Scopes“, die verschiedene Kategorien von Emissionen abdecken.

Scope-1-Emissionen beziehen sich auf direkte Treibhausgasemissionen aus Quellen, die unmittelbar im Einflussbereich des berichtenden Unternehmens sind oder von diesem kontrolliert werden. Dazu gehören Emissionen aus Energieträgern am Standort des Unternehmens, wie Erdgas und andere fossile Brennstoffe, Kühlmittel, sowie Emissionen durch den Betrieb von Heizkesseln und Öfen. Unter Scope-1 fallen auch Emissionen des eigenen Fuhrparks (z. B. Autos, Lkw, Fluggeräte, usw.).

Scope-2-Emissionen umfassen indirekte Treibhausgasemissionen, die mit der Erzeugung der vom berichtenden Unternehmen gekauften und verbrauchten Strom, Wärme oder Dampf verbunden sind. Diese Emissionen entstehen außerhalb des Unternehmens, sind aber eine Folge unternehmerischer Aktivitäten.

Scope-3-Emissionen umfassen alle anderen indirekten Treibhausgasemissionen, die in der Wertschöpfungskette des berichtenden Unternehmens auftreten aber nicht im Besitz oder unter der Kontrolle des Unternehmens sind. Grob untergliedert umfassen Scope-3-Emissionen THG-Ausstöße in der vorgelagerten Lieferkette bzw. in Leistungsentstehungsprozessen und nachgelagerten Schritten, bis hin zum Ende des Produktlebenszyklus.

Vorgelagerte (upstream) Scope-3-Emissionen:

  • Gekaufte Waren und Dienstleistungen
  • Investitionsgüter
  • Brennstoff- und energiebezogene Aktivitäten (nicht in Scope 1 und 2 enthalten)
  • Vorgelagerter Transport und Vertrieb
  • Im Betrieb anfallende Abfälle
  • Geschäftsreisen
  • Pendeln von Arbeitnehmern
  • Vorgelagerte geleaste Vermögenswerte

Nachgelagerte (downstream) Scope-3-Emissionen:

  • Nachgelagerter Transport und Vertrieb
  • Verarbeitung der verkauften Produkte
  • Verwendung der verkauften Produkte
  • End-of-Life-Behandlung von verkauften Produkten
  • Nachgelagerte geleaste Vermögenswerte
  • Franchises
  • Investitionen

Abbildung: Geltungsbereiche Scope 1, 2, 3

Messung

Scope-1- und 2-Emissionen sind vergleichsweise einfach zu quantifizieren, da die Datenbeschaffung üblicherweise unkompliziert ist. Die vor Ort verbrauchten Strom- oder Kraftstoffmengen, finden sich auf den entsprechenden Abrechnungen bzw. lassen sich anhand von Zählerständen ermitteln. Die Emissionsberechnung erfolgt dann durch die Multiplikation von Aktivitätsdaten mit definierten, sogenannten Emissionsfaktoren.

Deutlich schwieriger ist die Messung von Scope-3-Emissionen, die mitunter 80% der Treibhausgasemissionen ausmachen. Die Herausforderungen liegen auf der Hand: zum einen deckt Scope 3 zwei diametral unterschiedliche unternehmerischer Bereiche – vor- und nachgelagerte Stufen – mit vielerlei Beteiligten, Prozessen und Wertschöpfungsschritten ab. Zum anderen ist die Datenverfügbarkeit über fachlich und geographisch verzweigte vor- und nachgelagerte Schritte, insbesondere mit Blick heterogene Produktportfolios, üblicherweise herausfordernd. Scope-3-Emissionen sind in der Regel die bedeutendste und komplexeste Kategorie, da sie den gesamten Produkt- bzw. Dienstleistungslebenszyklus abdecken.

Die Greenhouse Gase Protocol macht Vorgaben zur Messung der 15 Unterkategorien von Scope 3, insbesondere für „Gekaufte Waren und Dienstleistungen“, welche einen Großteil der Scope 3 Emissionen unter sich vereinen. Demnach können Daten auf Produktebene („Cradle-to-Gate“) auf Ebene einer Produktionslinie oder Fertigungseinrichtung, ober über eine z.B. Unternehmensbereichs- oder Gesamtunternehmens-bezogene CO2-Messung erhoben werden. Hierzu können Primär- als auch Sekundärdaten verwendet werden. Im Sinne einer wirksamen CO2 Reduzierung, ist jedoch die Messung auf der kleinsten Erhebungsebene – dem Produkt – ratsam (Product Carbon Footprint), wenn auch diese die komplexeste Variante darstellt.

Warum ist die Scope-Emissionsberechnung so wichtig?

Die Scope-Berechnung und das Berichten darüber, ist aus zwei Gründen elementar.

Zunächst spielen regulatorische Anforderungen eine wichtige Rolle bei der Emissionsquantifizierung.

Die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) der EU setzt Anforderungen an die Bilanzierung und verpflichtet schrittweise immer mehr Unternehmen zur Messung und Offenlegung ihrer CO2e-Emissionen basierend auf den ESRS (European Sustainability Reporting Standards). Insbesondere innerhalb der Berichtspflicht des „ESRS E1 Climate Change“ müssen CO2 Emissionen offengelegt werden (wenn auch – für Scope 3 nur „wenn möglich“).

Für den im Oktober 2023 in Kraft tretenden europäischen Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) zur Vermeidung des grenzüberschreitenden Carbon Leakage, wird die Scope-Berechnung ebenso von Relevanz sein. Bislang werden Scope-3-Emissionen nicht direkt bepreist. Die Einführung des CBAM bedeutet, dass z.B. EU-Importeure zum ersten Mal einen CO2-Preis für ihre Scope-3-Emissionen zahlen müssen, d.h. für Emissionen, die aus der Tätigkeit eines anderen Unternehmens in der vorangehenden Wertschöpfungskette resultieren.

Zum anderen ist die Bilanzierung von Emissionen für eine ganzheitliche Klimaschutzstrategie unausweichlich. Deshalb sollte die Formulierung unternehmerischer Klimaziele bzw. Dekarbonisierungsanstrengungen immer einen Bezug zu Scope 1, 2 und 3 haben. Sichtbar ist dies bereits heute in unterschiedlichster Form im Rahmen unternehmerischer Klimaambitionen wie z.B. „CO2-Neutralität bis zum Jahr x“. Grundlage hierfür ist die Kenntnis über Emissionen entlang der Scopes im Ist und die Ableitung konkreter, quantifizierbarer Reduktions- oder Offsetting-Maßnahmen in allen Geltungsbereichen für die Zukunft.