Kurz-erklärt: Verabschiedung der technischen Bewertungskriterien der nicht klimabezogenen Umweltziele — Bedeutung für die Taxonomieberichterstattung

Autoren:

  • Moritz Keilhauer, Senior Associate
  • Dr. Bastien Karlhofer, Associate
  • Dr. Oliver Küchle, Partner

Die EU-Nachhaltigkeitsregulierung hat mit der Veröffentlichung der technischen Bewertungskriterien für die verbleibenden vier Umweltziele am 13.06.2023 einen weiteren bedeutenden Meilenstein erreicht. Damit hat die Europäische Kommission nun für alle sechs Umweltziele der EU-Taxonomie detaillierte technische Bewertungskriterien definiert, die die Grundlage für die Bewertung der Nachhaltigkeit von Wirtschaftsaktivitäten bilden. Zusätzlich wurden durch Anpassungen der technischen Bewertungskriterien für die ersten beiden Umweltziele neue Wirtschaftsaktivitäten in die Taxonomieberichterstattung aufgenommen. Diese Entwicklungen haben weitreichende Auswirkungen auf die Investitionsentscheidungen in der Wirtschaft sowie die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Unternehmen aller Branchen. Besonders Banken und Sparkassen stehen vor erheblichen Herausforderungen bei der Umsetzung der EU-Nachhaltigkeitsregulierung, die kontinuierlich durch Vorschriften der EZB und BaFin weiterentwickelt und verschärft wird.

Hintergrund der EU-Taxonomie

Die EU-Taxonomie bildet das zentrale Element der EU-Nachhaltigkeitsregulierung. Die EU-Taxonomieverordnung (VO 2020/852) legte 2020 die Grundlage für die Klassifizierung nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten fest, indem sie die sechs Umweltziele der EU definierte:

  1. Klimaschutz,
  2. Anpassung an den Klimawandel,
  3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen,
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft,
  5. Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung,
  6. Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.

Zusätzlich wurden in der Taxonomieverordnung soziale Mindeststandards sowie die „Do-no-significant-harm“ (DNSH)-Kriterien für nachhaltige Aktivitäten eingeführt. Darüber hinaus wurden Anforderungen an die technischen Bewertungskriterien für die Bestimmung nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten festgelegt. Als zentrales Bindeglied bildet die EU-Taxonomie die Grundlage für weitere Nachhaltigkeitsregulierungen in der gesamten Wirtschaft, darunter CSRD und CSDDD, sowie für finanzspezifische ESG-Regulierungen gemäß der SFDR und Säule 3 Offenlegungspflichten der Nachhaltigkeit durch die EZB und BaFin.

Taxonomie auf der Zeitachse

Die Taxonomieverordnung wurde im Laufe der Jahre durch diverse delegierte Rechtsakte ergänzt und erweitert. Diese werden direkt von der EU-Kommission verabschiedet und treten nach Ablauf einer zweimonatigen Einspruchsfrist von EU-Parlament und EU-Rat in allen EU-Ländern ohne zusätzliche nationale Gesetzgebung in Kraft. Die Einspruchsfrist für zwei kommende delegierte Rechtsakte ist inzwischen abgelaufen, weswegen mit einer zeitnahen Veröffentlichung gerechnet werden kann. Sobald dies geschehen ist, ist der gesamte Legislativprozess abgeschlossen und die Rechtsakte sind somit unmittelbar in allen EU-Ländern gültig. Damit treten sofort EU-weite Implikationen für das Nachhaltigkeitsberichtswesen ein.

Die delegierten Rechtsakte zur EU-Taxonomie umfassen zusätzlich zu den nun veröffentlichten Rechtsakten den sogenannten „Disclosure Delegated Act“ (Del.VO 2021/2078), den „Climate Delegated Act“ (Del.VO 2021/2139) sowie den „Complementary Climate Delegated Act“. Der „Disclosure Delegated Act“ legt die Inhalte, Methoden und Darstellungsanforderungen für die Offenlegung von Daten im Zusammenhang mit nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten gemäß der Taxonomieverordnung fest. Während der „Complementary Climate Delegated Act“ unter strengen Kriterien Gas und Kernenergie in das Taxonomieframework mitaufnimmt, enthält der „Climate Delegated Act“ die zugrunde liegenden technischen Bewertungskriterien für die ersten beiden Umweltziele. Diese Bewertungskriterien wurden nun auf Basis der Erfahrungen aus den letzten Jahren weiter angepasst und präzisiert.

Was ist passiert?

Am 13. Juni 2023 hat die die EU-Kommission zwei delegierte Rechtsakte zur EU-Umwelttaxonomie-Verordnung (Verordnung (EU) 2020/852) veröffentlicht. Inhaltlich unterteilen sich diese in Anpassungen & Ergänzungen der bereits existenten technischen Bewertungskriterien für die beiden klimabezogenen Umweltziele und die Bereitstellung der technischen Bewertungskriterien für die vier nicht-klimabezogenen Umweltziele. Da die Einspruchsfrist bereits abgelaufen ist, werden diese voraussichtlich zeitnah mit Hilfe des EU-Amtsblatts in die Breite kommuniziert werden.

Anpassungen der klimabezogenen Umweltziele

Ziel der Anpassungen zur delegierte Verordnung (EU) 2021/2139 der klimabezogenen Umweltziele ist es, durch neue technische Bewertungskriterien die Rahmen der eingeschlossenen Aktivitäten der Umwelttaxonomie zu erweitern und kleinere Korrekturen der Bewertungskriterien bereits enthaltener Wirtschaftsaktivitäten vorzunehmen.

Bei der Warenherstellung werden beispielsweise Aktivitäten zur Herstellung von Fahrzeugteilen im Automotive Sektor, sowie Schienen-, Elektro- und Flugzeugteile bezüglich des ersten Umweltziels miteinbezogen. Weiterhin werden Aktivitäten im Transportsektor für Wasser- und Lufttransport miteingeschlossen, wobei im Bezug auf Wassertransport beispielsweise nach den vorangegangen Konsultationsphase nun noch eine Anpassung vorgenommen wurde, um den unkontrollierten Austritt von Methangasen zu vermeiden. Ebenso fand im Rahmen der Konsultationsphase noch eine Anpassung der DNSH-Kriterien statt, um deren Kohärenz auch rechtsaktübergreifend zu festigen.

Neue technische Bewertungskriterien der vier nicht-klimabezogenen Umweltziele

Die neuen technischen Bewertungskriterien umfassen eine Menge von 35 Wirtschaftsaktivitäten in 8 Wirtschaftsbereichen. Davon entfällt der größte Teil auf Wirtschaftsaktivitäten, die einen substantiellen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten – 21 Aktivitäten aus 5 Sektoren. An dieser Stelle werden beispielsweise für die Herstellung von Verpackungen, das Baugewerbe und die Abfallwirtschaft genaue Kriterien formuliert, inwiefern diese zum Übergang einer Kreislaufwirtschaft beitragen.

Eine Wirtschaftsaktivität kann Bewertungskriterien zu mehreren Umweltzielen zugeordnet sein. Dies bedeutet, dass beispielsweise für die Abfallwirtschaft Bewertungskriterien bezüglich der nachhaltigen Nutzung von Wasser- und Meeresressourcen, dem Übergang zur Kreislaufwirtschaft sowie der Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung zu finden sind. Eine zukünftige Ausweitung der technischen Bewertungskriterien dieser Umweltziele auf weitere Wirtschaftsaktivitäten ist angedacht, allerdings aktuell mit keinem konkreten Datum versehen.

Inhaltlich werden die Vorgaben insgesamt klar ausdifferenziert. So werden beispielsweise durch die reine Einwertung über den Nettozuwachs an Biodiversität, der aus Konservation und Wiederherstellung entstammt, die Kriterien klarifiziert, unter welchen eine Wirtschaftsaktivität signifikant auf das Umweltziel des Schutzes und Wiederherstellung von Biodiversität und der Ökosysteme einzahlt ohne gleichzeitig im Sinne der DNSH-Kriterien der Nachhaltigkeit zu schaden. Im Speziellen sind davon zum Beispiel das Hotel- und Gastgewerbe sowie der Aufenthalt auf Campingplätzen, in der Natur und fremdem Ökosystemen betroffen.

Zukünftige Berichtsanforderungen unterscheiden zwischen Taxonomiefähigkeit und Taxonomiekonformität

Grundsätzlich wird in der Taxonomieberichterstattung zwischen Taxonomiefähigkeit („taxonomy-eligibility“) und der Taxonomiekonformität („taxonomy-alignment“) von Wirtschaftsaktivitäten unterschieden. Die Taxonomiefähigkeit einer Wirtschaftsaktivität bedeutet lediglich, dass sie signifikant zu einem der sechs Umweltziele beiträgt und anhand der technischen Bewertungskriterien geprüft werden kann. Um als „taxonomiekonform“ zu gelten, müssen die technischen Bewertungskriterien erfüllt werden, die dieser Aktivität gemäß ihrer Taxonomiefähigkeit zugeordnet sind. Zudem müssen die DNSH-Prinzipien für die anderen Umweltziele erfüllt sein und die sozialen Mindeststandards eingehalten werden. Das Rollout der Taxonomie erfolgt gestaffelt; zunächst für die ersten zwei Umweltziele, anschließend für die vier nicht klimabezogenen Umweltziele.

Der stetige Wandel und die großen Anforderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung erfordern ein innovatives Denken, welches regulatorische Notwendigkeit zielgerichtet mit unternehmerischen Chancen verknüpft.

Horn & Company bietet umfassende Unterstützung für Finanzdienstleister in allen Belangen der Nachhaltigkeit – von der Integration von ESG-Risiken in den Prozess der Investitionsentscheidungsfindung über die Identifikation unternehmerischer Nachhaltigkeitsauswirkungen sowie die Erfüllung von Offenlegungspflichten durch Taxonomieberichterstattung bis hin zu Umsetzungsprojekten der CSRD. Zusätzlich begleiten wir unsere Kunden bei der effektiven Realisierung ihrer Nachhaltigkeitsziele, angefangen von der Entwicklung einer Strategie bis zur Umsetzung konkreter operativer Maßnahmen.

In unserem nächsten Blogartikel werden wir uns mit den Implikationen der neuen Delegiertenverordnungen für den Bankensektor auseinandersetzen. Dabei wird auf aktuell verfügbare Taxonomietools eingegangen. Des Weiteren werden Herausforderungen sowie damit einhergehende Chancen beleuchtet, die sich aus der Regulierung ergeben. Bleiben Sie dran, um zu erfahren wie diese Entwicklungen den Finanzsektor beeinflussen und wie Sie sich sicher für aktuelle und zukünftige Herausforderungen aufstellen können.