Green Claims Directive (GCD) – kurz erklärt

Autoren:

  • Dr. Dirk D. Müller, Partner
  • Konstantin Schopper, Associate

Hintergrund

Nachhaltigkeit ist für Verbraucher zweifellos von großer Bedeutung. Viele Unternehmen kommen diesen Anforderungen nach, indem sie nachhaltige Produkte fertigen, vertreiben und dies entsprechend werblich positionieren. Zur Verstärkung der Glaubwürdigkeit ihres nachhaltigen unternehmerischen Handels, setzen Unternehmen auf nachhaltigkeitsbezogene Claims, unterstützt durch Zertifikate oder Labels. Nach einer Zählung der EU-Kommission gibt es etwa 230 Umweltzeichen auf dem europäischen Markt.

Allerdings sind nicht alle dieser grünen Claims glaubwürdig, so wie auch nicht alle mit nachhaltigen Eigenschaften beworbene Produkte tatsächlich nachhaltig sind. Einige Aussagen sind vage, fehlerhaft oder sogar völlig unbegründet, weil nicht substantiiert. Studien belegen, dass über 50% der verbraucherseitig platzierten Umweltangaben irreführend sind. Was einerseits veritabler Betrug am Kunden ist, stellt andererseits eine ernsthafte Behinderung für Marken und Hersteller dar, die tatsächlich darum bemüht sind, Lösungen zur Reduzierung der Umweltauswirkungen während des gesamten Produktlebenszyklus zu entwickeln. Im Resultat wird es für Verbraucher zunehmend schwieriger zu erkennen, ob sich hinter den Nachhaltigkeits-Claims tatsächlich ernstgemeintes Engagement für die Umwelt und den Klimaschutz, oder nur opportunistisches Greenwashing verbirgt.

Mechanismus & Inhalte

Die Green Claims Directive der Europäischen Union setzt genau hier an. Es gilt, Greenwashing und Falschangaben zu nachhaltigen Produkteigenschaften oder einer nachhaltigen Unternehmensausrichtung zu unterbinden. Konsumenten soll somit bestmöglich befähigt werden, das echte Umweltpotenzial eines Produktes zu erkennen und im Rahmen des Kaufentscheidungsprozesses zu bewerten.

Entsprechend der Richtlinie müssen deshalb alle umweltbezogenen Produktangaben real, relevant und wissenschaftlich bewiesen sein. Die Verwendung von Begriffen wie „umweltfreundlich“, „klimaneutral“ oder „recycelbar“, muss klar belegt und nachvollziehbar dokumentiert werden. Unternehmen wird untersagt, ihre eigenen Labels oder „selbsterklärende“ Zertifikate zu schaffen. Stattdessen müssen Gütesiegel auf EU- oder nationalen Behördenregelungen basieren, die wiederum auf transparenten und nachweisbaren Kriterien beruhen. Eine Überprüfung der Glaubwürdigkeit und Konformität der Claims hat zudem durch einen akkreditierten Drittanbieter zu erfolgen. Die Mitgliedstaaten werden für die Überwachung der Richtlinieneinhaltung zuständige Behörden einrichten.

Umweltbezogene Angaben, die ausschließlich auf Emissionsausgleichssystemen und Kompensationen beruhen, werden verboten. Positive Umwelteffekte dürfen nicht beworben werden, wenn sie durch negative Seiteneffekte kompensiert werden. Sofern in der vergleichenden Werbung mit umweltbezogenen Vorteilen argumentiert wird, muss sichergestellt sein, dass gleichwertige Datenquellen für den Vergleich herangezogen werden. Eine Aktualisierung der umweltbezogenen Angaben hat turnusmäßig alle fünf Jahre oder anlassbezogen zu erfolgen.

Die Green Claims Directive wurde am 12.03.2024 mit großer Mehrheit im EU Parlament verabschiedet. Anschließen werden sich Trilog-Verhandlungen von Europäischer Kommission, dem Europäischen Parlament und dem EU-Ministerrat, voraussichtlich nach den EU Parlamentswahlen im Sommer 2024.

Abgrenzung & Anforderung

In der Konsequenz bedeutet die Green Claims Directive nicht, dass jedes Produkt ein EU-anerkanntes Umweltzeichen tragen muss. Wer nicht über die positiven Umwelteigenschaften seines Produktes informieren möchte, muss dies auch nicht tun, da derlei Angaben freiwillig bleiben. Verpflichtende Aussagen und bereits durch bestehende Vorschriften abgedeckte Aussagen sind nicht betroffen. Sofern jedoch ein „grüner“ Claim über ein Label oder eine Aussage transportiert wird, ist dieser glaubhaft und nachweisbar zu gestalten. Die Anforderungen an Nachhaltigkeits-Produktdaten steigen somit, und Lebenszyklusanalysen sowie Product Carbon Footprints gewinnen – sofern Informationen hierzu veröffentlicht werden – in der Kommunikationsstrategie substantielle Bedeutung.

Betroffene Unternehmen

Die Green Claims Directive richtet sich branchenübergreifend an alle Firmen innerhalb der EU, die umweltfreundliche oder nachhaltige Produkte und Services vermarkten und dies entsprechend kommunizieren. Unternehmen von außerhalb der EU, die EU-Verbraucher mit ihren Green Claims ansprechen, unterliegen ebenfalls der Directive. Unternehmen, die weniger als 10 Mitarbeitende beschäftigen und einen Jahresumsatz von nicht mehr als 2 Millionen Euro erzielen, sind von der Regelung ausgenommen.

Verfahren & Sanktionen

Alle umweltbezogenen Werbeaussagen müssen in Zukunft auf nationaler Ebene zur Genehmigung vorgelegt werden, bevor sie verwendet werden können. Der verabschiedete Text der Directive sieht vor, dass die Claims von akkreditierten Prüfern innerhalb von 30 Tagen bewertet werden. Bei Nichteinhaltung müssen Unternehmen mit einer Geldstrafe von mindestens 4% ihres jährlichen Umsatzes rechnen. Daneben droht ein Ausschluss von öffentlichen Auftragsvergabeverfahren.

Vorbereitung & Umsetzung

Wie intensiv sich Unternehmen auf die Green Claims Directive vorbereiten müssen, hängt einerseits vom eigenen Anspruch ab, ökologische Produkteigenschaften überhaupt werblich in den Vordergrund zu rücken. Daneben ist zu berücksichtigen, wie fundiert, transparent und belastbar das ggf. bereits vorhandene Daten- und Informationsgerüst zur Unterstützung der Green Claims entwickelt ist. Aus unserer Erfahrung gilt es jedoch, folgende Schritte und Anforderungen zu berücksichtigen.

Mehrwert

Greenwashing, faktisch oder als Vorwurf, ist unstrittig schlecht für Verbraucher, für das Image und im Zweifel auch für die Umwelt. Aus Angst vor Greenwashing-Beschuldigung jedoch ins „Greenhushing“ – d.h. dem bewussten Verschweigen von unternehmerischen Umweltinitiativen – zu verfallen und sich deshalb einen Maulkorb zu verpassen, wäre genauso wenig zielführend.

Sofern Unternehmen bereits ehrgeizige, objektiv nachvollzieh- und belegbare Nachhaltigkeitsziele verfolgen, sollten diese auch aktiv kommuniziert werden. Der Verbraucher gewinnt Transparenz, was zu fundierten Kaufentscheidungen führt. Andere, marktbegleitende Unternehmen können zudem einem guten best-practice Beispiel folgen, von Wissensaustausch profitieren und ihre eigene ESG Transformationsagenda weiterentwickeln. Schlussendlich hilft die offene, fundierte unternehmerische Kommunikation über Nachhaltigkeitsanstrengungen und Produkteigenschaften dabei, dass sich Nachhaltigkeit zu einer sozialen Norm entwickelt, die weitreichend akzeptiert und praktiziert wird.

Horn & Company verfügt über umfassende Erfahrung im Kontext unternehmerischer ESG-Transformationen. Als Experte für datengetriebene Optimierungen, bringen wir Transparenz in ESG-bezogene Produkt- und Unternehmensdaten, helfen bei Entscheidungsfindungen und der Berichterstattung. Wir unterstützen bei der rechtskonformen Implementierung regulativer Vorgaben und der wirksamen Verankerung von Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie, dem Geschäftsmodell sowie in der Ablauf- und Aufbauorganisation.


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