KREISLAUFWIRTSCHAFT – KURZ ERKLÄRT

Autoren:

  • Dirk D. Müller, Partner
  • Larissa Asante, Senior Associate
  • Konstantin Schopper, Associate

Hintergrund

Die globale Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen steigt kontinuierlich, während verfügbare Ressourcen knapper werden und das weltweite Abfallvolumen zunimmt. Das traditionelle lineare Wirtschaftsmodell, welches auf dem Konzept von „Extraktion, Produktion und Entsorgung“ beruht, stößt daher an seine Grenzen und ist nicht mit einer nachhaltigen Zukunft vereinbar.

Als Folge dieser Entwicklungen stehen Unternehmen vor diversen Herausforderungen.

Wirtschaftlich:

  • Klar artikulierte Mitarbeiter-, Kunden- und Stakeholderanforderungen mit Blick auf unternehmerische Nachhaltigkeit
  • Anfälligere globale Lieferketten mit volatilen Rohstoffmärkten
  • Zunehmender Globalisierungs-, Effizienz- und Wettbewerbsdruck
  • Komplexer werdende Bedarfe zur Produkt- und Prozessinnovation

Regulatorisch:

  • Steigende Transparenzanforderungen (Lieferketten, CO2-Ausstoß, Produktlebenszyklus)
  • Zunehmende Komplexität der Nachhaltigkeitsberichterstattung (z.B. Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD))
  • Verstärkter Fokus auf Zirkularität bei Umwelt- und Abfallvorschriften
  • Sich verschärfende Sanktionierungen bei Missachtung regulatorischer Anforderungen

Ökologisch:

  • Notwendigkeit zur Minimierung der individuellen unternehmerischen Umweltauswirkungen
  • Steigende Ressourcenbedarfe bei gleichzeitig schwierigerer Ressourcenabsicherung
  • Notwendigkeit, die Herausforderungen des Klimawandels im Einklang mit internationalen Vorgaben zu bewältigen
  • Anforderungen, Ressourcen möglichst effizient und langlebig einzusetzen

Das Konzept der Kreislaufwirtschaft versucht, diese Herausforderungen zu adressieren, bzw. konkrete Antworten zu geben.

Das Prinzip Kreislaufwirtschaft

In einem Kreislaufwirtschaftssystem wird der Wert von Produkten, Materialien und anderen Ressourcen so lange wie möglich erhalten. Dadurch werden idealerweise die Umweltauswirkungen der Nutzung verringert, sowie Abfälle und die Freisetzung gefährlicher Stoffe in allen Phasen des Lebenszyklus minimiert.

Um den Lebenszyklus von Produkten, Materialien und anderen Ressourcen zu verlängern, werden verschiedene Ansätze verfolgt, darunter die effiziente Nutzung sowie Wiederverwendung, Reduzierung, Reparatur, Aufbereitung, Recycling und Materialrückgewinnung in Produktions-, Vertriebs- und Nutzungsprozessen. Dadurch kann zusätzliche Wertschöpfung generiert werden.

Abbildung: Schematische Gegenüberstellung der Linearwirtschaft mit der Kreislaufwirtschaft

Die Transformation von einem linearen zu einem zirkulären System erfordert die Entwicklung und Umsetzung neuer Ansätze. Das R-Framework nach Potting et al. (2017) erfasst den Kern der Kreislaufwirtschaft, indem es die grundlegenden Hebel einer umfassenden, zirkulären Transformation abbildet. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass in einer Kreislaufwirtschaft nicht nur einzelne R-Strategien umgesetzt werden, sondern mehrere dieser sinnvoll miteinander kombiniert werden.

Abbildung: Strategien des 9R-Frameworks

Regulation

Kreislaufwirtschaftliche Prinzipien bestimmen auch die umweltschutzbezogene Regulation. Bereits seit dem 1. Juni 2012 ist das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz in Kraft. Dieses Gesetz erfordert jedoch keine allumfassende Verankerung der Kreislaufwirtschaftsthematik in Unternehmen. Vielmehr konzentriert es sich auf verstärktes Abfallrecycling durch die Verpflichtung zur Getrenntsammlung.

Die europäische Batterieverordnung von 2023, die noch nicht verabschiedete europäische Verpackungsverordnung sowie die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Verordnung für das Recycling von Fahrzeugen, zielen ebenso darauf ab, Kreislaufwirtschaft verbindlicher zu verankern.

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verlangt von Unternehmen, dass sie über ihre wesentlichen ESG-Themen Bericht erstatten. Entsprechend des Berichtsstandards der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) wäre ein solches Thema „Ressourcen und Kreislaufwirtschaft“ (ESRS E5). Gemäß den ESRS müssen für Themen, sofern diese wesentlich sind, Strategien abgleitet, Ziele festgelegt, Chancen, Risken und Auswirkungen bewertet und Kennzahlen erhoben werden.

Insgesamt wird damit der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft zunehmend verpflichtend.

Unternehmerische Potenziale

Aus unternehmerischer Perspektive bietet die Implementierung kreislaufwirtschaftlicher Prinzipien viele Chancen und Möglichkeiten.

Eine effektive Umsetzung kreislaufwirtschaftlicher Prinzipien beeinflusst das Klima und reduziert Treibhausgasemissionen, verringert den Wasser- und Meeresressourcenverbrauch, bekämpft Umweltverschmutzung und trägt zur Erhaltung der Biodiversität bei. Somit können Umweltziele synergetisch erreicht und die Natur regeneriert werden.

Zudem fördern kreislaufwirtschaftliche Anforderungen wie Recyclingfähigkeit, Re-manufaktur- und Aufarbeitungsmöglichkeiten, unternehmerische Material-, Produkt- und Prozessinnovationen. Eine optimierte, auf Zirkularität ausgerichtete Ressourcennutzung drückt sich zudem in niedrigeren Energieverbräuchen aus und trägt zur Verminderung von Produktionsabfällen bei. Insgesamt führen zirkuläre Geschäftsmodelle üblicherweise zu signifikanten Effizienzgewinnen.

Mit Blick auf unternehmerisches Risikomanagement wirken kreislaufwirtschaftliche Aspekte zweifach. Durch die Verringerung der Abhängigkeit von endlichen Ressourcen und die Diversifizierung von Lieferketten, können Unternehmen ihre Risiken im Zusammenhang mit Rohstoffknappheit, Preisschwankungen und Lieferengpässen deutlich mindern. Daneben hilft die Umsetzung von Kreislaufwirtschaftspraktiken dabei, Umweltvorschriften und -gesetze einzuhalten, wodurch regulatorische Risiken und Haftungen reduziert werden können.

Umsetzungsansatz & Potenzialfelder

Um kreislaufwirtschaftliche Potenziale zu nutzen, ist die Integration in das Target Operating Model notwendig. Zur bestmöglichen Transformation bis hin zum „Circular Go Live“, bieten sich dazu sechs Potenzialfelder an.

Abbildung: zirkuläre Potenzialfelder

„Zirkularisierung“ bisheriger linearer Strategie & Ausrichtung

Zirkuläre Prinzipien sind fest im Unternehmenszweck bzw. der Unternehmensausrichtung zu verankern. Eine definierte Kreislaufwirtschaftsstrategie hilft bei der Umsetzung und wird bestenfalls durch messbare Zielvorgaben flankiert. Folgende Schlüsselfaktoren sind hierfür wichtig:

  • Analyse des Status Quo und Aufdeckung potenzieller Risiken in der aktuellen (linearen) Unternehmensausrichtung
  • Identifizierung der größten Potenzialen mit positiver ökologischer und ökonomischer Wirkung, um langfristig effektiv zur Kreislaufwirtschaft beizutragen; daneben Priorisierung von Hebeln, die einen signifikanten Beitrag zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und zur Schaffung einer nachhaltigen Zukunft leisten
  • Ableitung eines zirkulären Narrativ und eines kreislaufwirtschaftsorientierten unternehmerischen „Nordsterns“ mit SMART-en Zielen

Entwicklung zirkulärer Geschäftsmodelle:

Auf Basis einer zirkulären (Grund-)Unternehmensausrichtung, sind es angepasste Geschäftsmodelle, die Zirkularität wirksam werden lassen. Hierbei sind folgende Anforderungen zu berücksichtigen:

  • Grundsätzliche Orientierung am Cradle-to-Cradle-Prinzip (C2C) als Grundlage für Geschäftsmodellinnovationen mit Materialen und Produkten, die in biologischen und technischen Kreisläufen geringe Risiken für Menschen und die Umwelt darstellen
  • Konsistente Neuausrichtung und dynamische, kollaborative Rollenveränderung aller Akteure in vor- und nachgelagerten Wirtschaftsprozessen im Bereich Entwicklung, Design, Produktion, Ressourcenverwendung, Auslieferung, Rückgabe und Wiederverwendung
  • Berücksichtigung von integrierten Produkt-Service-Systemen wie Leasing- oder Sharing-Modellen als neue Wege um zirkuläre Werte zu schaffen und Erträge zu erwirtschaften

Erweiterung auf ganzheitliche Wertschöpfungsperspektive:

Zirkuläre Geschäftsmodelle erfordern eine umfassende Berücksichtigung aller Elemente in der Wertschöpfungskette und stehen demnach der isolierten Betrachtung einzelner Wertschöpfungs- oder Nutzungsstufen entgegen. Ein Schlüsselaspekt ist hierbei das übergreifende Life Cycle Assessment, bei dem folgende Punkte berücksichtigt werden sollten:

  • Konsolidierte Betrachtung, enge Vernetzung und gemeinsames Engagement aller Beteiligten – inklusive der Konsumenten – in der unternehmerischen Aktivitätenkette
  • Analyse aller Stoff- und Energieströme des gesamten Produktsystems, aller beteiligten Prozesse entlang des Produktlebensweges, der notwendigen Ressourcenentnahmen und entstehenden Emissionen, zur Ableitung konkreter Umwelteffekte
  • Ermittlung von „Hot-Spots“, die die Nachhaltigkeitswirkung von Produkten einschränken bzw. Risiken bergen und Zirkularität behindern

Design zirkulärer E2E-Prozesse

Zirkuläre End-to-End-Prozesse zielen darauf ab, entlang der Geschäfts- und Konsummodelle ressourcenoptimierte Produktlebenszyklen zu ermöglichen. Dafür müssen Prozesse vollständig vernetzt sein und eine nahtlose Durchlässigkeit von Daten und Informationen ermöglichen. Nachfolgend einige wichtige Aspekte:

  • Einrichtung eines Product Lifecycle Managements (PLM) mit dem Ziel, Informationsverluste während der Produktions-, Nutzungs- und Entsorgungsphasen zu verhindern und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen und Stakeholdern zu verbessern
  • Entwicklung innovativer Prozesse entlang der gesamten Aktivitätenkette, durch die Implementierung von PLM-Systemen, um Ihre Wettbewerbsfähigkeit in der Zukunft zu sichern und gesetzliche Anforderungen zu erfüllen
  • Förderung von digitaler Vernetzung, um verbindliche Informationen allen Beteiligten zugänglich zu machen und eine lückenlose Nachverfolgung der Daten vom Produktentstehungsprozess bis zum Rohstoff zu gewährleisten

Digitalisierung zur Steigerung der Zirkularität

Digitalisierung spielt eine Schlüsselrolle im Transformationsprozess und der Gestaltung zirkulärer Geschäftsmodelle. Sie ermöglicht es, den Übergang zu kreislauforientierten Material-, Komponenten- und Produktflüssen aktiv voranzutreiben, wobei ein vollständiger Zugriff auf Produktdaten unverzichtbar ist. Folgende Punkte sind dabei elementar:

  • Erarbeitung eins klaren Verständnisses, dass Kreislaufwirtschaft als Datenwirtschaft zu begreifen ist, mit offenen, kollaborativen Datenbeziehungen
  • Konsequente Steigerung des Digitalisierungsgrades entlang der gesamten Wertschöpfungskette unter anderem auch durch Nutzung von Konzepten wie dem digitalen Produktpass, um Datenaustausch und Transparenz, auch kundenseitig, zu fördern
  • Nutzung digitaler Tools zur Optimierung auf allen Produktionsstufen, durch zum Beispiel PLM oder computergestützte Fertigungsverfahren, um Energie- und Ressourceneffizienzpotenziale auszuschöpfen

Wissensaufbau auf allen Ebenen der Organisation:

Der unternehmensweite Wissensaufbau ist eine wesentliche Voraussetzung zur erfolgreichen Umsetzung zirkularer Prinzipien. Kreislaufwirtschaft als strategisch wichtiges und gegebenenfalls disruptives unternehmerisches Konzept, erfordert bei der Know-How-Weitergabe folgende Aspekte zu berücksichtigen:

  • Einbezug des Top Management in den kreislaufwirtschaftlichen Wissensaufbau und Wissenstransfer mit einem überzeugenden, nutzenorientierten Narrativ, klaren Zielen und einem wirkungsvollen „Value Add“ für die Umwelt und die Konsumenten („Tone from the Top“)
  • Weiterbildung der Belegschaft zu sachlichen Grundprinzipien der Kreislaufwirtschaft, den regulativen Rahmenbedingungen und Anforderungen, und der sich daraus ergebenden unternehmensspezifischen, zirkulären Transformationsagenda
  • Frühzeitiges Adressieren möglicher Widerstände gegen kreislaufwirtschaftliche Transformationen insbesondere bei besonders betroffenen Gruppen in z.B. Entwicklung, Fertigung und Vertrieb, und mit Blick auf neue, anzupassende Rollenprofile

„Zero Waste“, als zentraler, umweltschützender Grundgedanke der Kreislaufwirtschaft, ist ein ambitionierter Anspruch. Die vorgenannten Potenzialfelder unterstreichen daneben die Bandbreite der Herausforderungen kreislaufwirtschaftlicher Unternehmenstransformationen. Auch wenn physikalische Gesetze einer vollumfänglichen Umsetzung zirkulärer Ansätze Grenzen auferlegen, ist für nicht wenige Unternehmen Kreislaufwirtschaft ein Leitprinzip, wenn nicht sogar eine überlebenswichtige Anforderung, mit Blick auf Ressourceneffizienz und der sich ergebenden neuen wirtschaftlichen Chancen.

Horn & Company hat umfangreiche Erfahrung bei der Entwicklung zirkulärer Geschäftsmodelle und der Transformation traditioneller Geschäftsstrategien. Wir unterstützen Unternehmen dabei, ihre Geschäftspraktiken zirkulär zu gestalten und somit ökologische und ökonomische Vorteile zu realisieren. Unsere Expertise reicht von der Analyse und Neuausrichtung der Wertschöpfungskette, bis hin zur Implementierung zirkulärer Prozesse entlang des gesamten Unternehmens. Sprechen Sie uns gerne an, um Ihr Unternehmen auf den Weg zu einer nachhaltigeren Zukunft zu begleiten.


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