Regenerative Finance – Blockchain als Katalysator für eine nachhaltige Wirtschaft

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Im Segment “Climate Finance” sehen wir gegenwärtig eine Welle an neuen, grünen FinTech-Start-ups, die Blockchain nutzen, um einen effektiven Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Diese auf „Regenerative Finance“ (ReFi) ausgerichteten Start-ups eröffnen neue Kanäle, um Kapital in Projekte zu steuern, die den Aufbau von nachhaltigen und regenerativen Ökosystemen unterstützen. ReFi ist eng verknüpft mit „Impact Investing“, in dem die Investitionen einen positiven Einfluss auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) haben.

Ein richtungsweisendes Finanzsystem stellt die Infrastruktur und Anreize für wirkungsorientierte Investitionen bereit. Innerhalb von ReFi und den damit verbundenen Investitionen in Umweltgüter werden durch die Blockchain-Technologie bisher illiquide Anlageklassen tokenisiert und dadurch in Bezug auf Handelbarkeit (Zweitmarkt) und Transparenz (Rückverfolgbarkeit) verbessert. Dadurch wird ein potentielles Greenwashing verhindert und Unternehmen haben stärkere Anreize, dazu beizutragen.

Ich habe mit Nadine Wilke, Mitgründerin des Münchner ReFi-FinTechs Particula, über aktuelle Entwicklungen im ReFi-Markt und das Potenzial der neuen Klima-Assets gesprochen:

Philipp Misura: Es gibt schon eine große Anzahl an BefürworterInnen, die behaupten, dass ReFi mit all seinen Möglichkeiten die Welt verändern wird. Woher stammt der Begriff und welcher Mehrwert steckt in ReFi?

Nadine Wilke: ReFi ist die Nachhaltigkeitsbewegung aus dem Web3. Es geht darum, neue Wege zu finden, um den Kapitalmarkt so zu strukturieren, dass für alle Beteiligten eine Win-win-Situation entsteht. Oft ist es so, dass eine Partei gewinnt und eine andere verliert – leider sind es häufig die südlichen Länder, die Umwelt oder die Tiere, die verlieren. ReFi hingegen möchte dezentrale Strukturen schaffen, die rundum Mehrwerte generieren. Es geht darum, profitable Anreize zu schaffen, damit Menschen und Natur langfristig und nachhaltig geholfen wird, und nicht nur einmalig oder impulsartig.

Philipp Misura: Kannst du dafür ein konkretes Beispiel geben? Welches Klimaprojekt findest du besonders spannend und innovativ?

Nadine Wilke: Mein favorisiertes Projekt ist beispielsweise Rebalance Earth, das bedrohte Waldelefanten schützt. ForscherInnen haben festgestellt, dass Wälder, in denen diese Elefanten leben, signifikant mehr CO2 speichern als Wälder ohne diese Tiere. Mithilfe von Kameras, Sensoren und weiteren speziellen Messgeräten wird jeder Elefant überwacht und mittels KI-Algorithmen werden die Daten analysiert. Durch die gesammelten Messwerte lässt sich genau berechnen, wie viel CO2 gebunden wird, wenn dieser Elefant den Wald reinigt und düngt. Diese Daten werden auf die dezentrale Blockchain geschrieben und bei jeder Sichtung eines Elefanten wird ein Token bzw. ein tokenisiertes CO2-Zertifikat generiert – automatisiert durch sogenannte „Smart Contracts“. Insgesamt fließen 70% der Einnahmen aus den Tokens in die lokale Gemeinschaft, die die Tiere vor wildernden Personen schützt. Im Laufe seines Lebens generiert ein Elefant Tokens im Wert von fast 2 Millionen Euro. Der Wald bleibt gesund, die Elefanten sind sicher und die lokale Gemeinschaft erhält Ressourcen zum Schutz ihrer Umwelt und des Klimas. Das ist richtungsweisende Finanzierung. Es wird ein System geschaffen, in dem KI, IoT und Blockchain in Symbiose zusammenarbeiten, um Win-win-Situationen zu schaffen.

Philipp Misura: Der ReFi-Sektor befindet sich noch im Aufbau. Häufig wird kritisiert, dass das Segment zu intransparent ist. Woran liegt das?

Nadine Wilke: Die Datenlage für nachhaltige Investments ist noch sehr chaotisch und die Datenqualität lässt oft zu wünschen übrig. Das kennen wir aus dem klassischen ESG-Bereich, in dem aktuell jedes größere Unternehmen seine Herausforderungen diesbezüglich hat. Im ReFi-Ökosystem gibt es viele AnbieterInnen von neuen Finanzinstrumenten und viele klassische InfrastrukturanbieterInnen, aber es gibt noch niemanden, der alle Daten dieser Wertschöpfungskette aggregiert und standardisiert. Jeder Anbieter hat seine eigenen Methoden, Formate und Datenstandards. Daher fehlt es an Vergleichbarkeit und der dafür notwendigen Harmonisierung der Datensätze. Mit Particula möchten wir für mehr Transparenz sorgen und die Massenadoption vorantreiben. Das wird nur dann gelingen, wenn es eine Plattform gibt, die alle relevanten Informationen für institutionelle InvestoreInnen aggregiert, aufbereitet und diese neuen digitalen Finanzinstrumente transparent und verständlich macht. Ein Rating-Framework schafft den notwendigen Rahmen und bietet zusätzliche Entscheidungshilfen für nachhaltige Investments und deren Impact. Wir sind gerade dabei, diese Daten- und Bewertungsplattform aufzubauen.

Philipp Misura: Wie kann speziell die Blockchain dabei helfen, mehr Transparenz zu schaffen?

Nadine Wilke: Mithilfe einer Blockchain lässt sich ein interoperables System gestalten. Es gibt bspw. aktuell verschiedene Trading Systeme und Märkte für CO2-Zertifikate, wie den Compliance Carbon Market und den Voluntary Carbon Market, welche sich jedoch fundamental unterscheiden. Der Voluntary Carbon Market unterscheidet in manchen Bereichen sogar regional und ist zu fragmentiert, um globale Kooperation zu ermöglichen. Häufig werden Zertifikate, welche den Wert der Investition wiederspiegeln, als PDF-Datei noch „over the counter“ (manuell) gehandelt. Dann wird per E-Mail eine Datei losgeschickt und irgendwo in den Excel-Listen eines Unternehmens, das Carbon Offsetting betreiben will, aufgeführt. Der Prozess dauert zu lange und ist viel zu teuer, da viele Mittelspersonen oder BrokerInnen diese Zertifikate handeln und immer neue Gebühren verlangen. Letztendlich ist dann nicht mehr klar, wie sich der Preis eines Assets zusammensetzt und wie viel wirklich von dem verfügbaren Kapital in ein Klimaprojekt fließt.
Eine Blockchain macht all diese Systeme transparenter, sicherer, 24/7 handelbar und kostengünstiger. Dieser Mehrwert ist in der klassischen Finanzwelt noch nicht gegeben. Bei der Tokenisierung von Klima-Assets über die Blockchain lassen sich vor allem ESG-Daten als Metadaten innerhalb der Tokens speichern. In einer klassischen PDF-Datei kann diese Vielfalt an Metadaten über das unterliegende Projekt nicht abgebildet werden.

Philipp Misura: Wo siehst Du in fünf Jahren die Zukunft der nachhaltigen Investments?

Nadine Wilke: Der Blick in die Glaskugel ist immer schwierig. Ich bin mir aber sicher, dass die Tokenisierung der Real-World-Assets bleiben wird. Es gibt bereits Studien, die besagen, dass bis 2030 Vermögenswerte im Wert von 16 Billionen Dollar tokenisiert abgebildet werden, wo also die Blockchain als Infrastruktur genutzt wird. Aktuell haben wir im Nachhaltigkeitsbereich schon 25 Assetklassen wie Carbon Assets für tokenisiertes CO2 und Tokens für Grünstrom-Zertifikate. Hinzu kommen Circular Economy, Supply Chain Traceability und Water Credits. Auch etablierte Assets wie seltene Erden, Rohstoffe und Edelmetalle wie Gold und Silber, werden bereits in virtuellen “Digital Twins” abgebildet und gehandelt. Letztendlich können alle Vermögenswerte, die quantifizierbar sind, auch tokenisiert werden.

Das Gespräch mit der ReFi-Expertin zeigt:

Der Markt für nachhaltige digitale Assets wächst schnell und wird bereits transparenter. Mehr Wettbewerb, FinTechs und Technologien wie Blockchain und AI können wesentlich dazu beitragen, das Vertrauen in ReFi zu stärken und langfristig einen positiven Impact auf den Klimaschutz zu entfalten. In meinem nächsten Blog-Post werde ich mit Nadine über die Mission von Particula und die Herausforderungen beim Aufbau ihrer innovativen Daten- und Rating-Plattform sprechen.


Kontakt zum Autor

Philipp Misura
E-Mail: Philipp.Misura@horn-company.de

Kontakt zum Autor

Nadine Wilke
Co-Founder & CGO, Particula
https://particula.earth/en/