Regenerative Finance – Hochwertige Daten und Blockchain sorgen für mehr Transparenz

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Nach Decentralized Finance (DeFi) entsteht mit Regenerative Finance (ReFi) bereits ein weiterer Trend an den internationalen Finanzmärkten. In diesem rasant wachsenden Ökosystem nutzen FinTechs die Blockchain, um nachhaltige Umweltgüter zu tokenisieren und handelbar zu machen. Spezifische Merkmale und aktuelle Entwicklungen in dem noch im Aufbau befindlichen Segment beleuchten wir auch detailliert in unserem ReFi-Blog-Post.

Durch die Tokenisierung entstehen im ReFi-Sektor neue digitale Finanzinstrumente für Umweltgüter, wie die Tokenisierung von CO2, die sich durch Transparenz und eine hohe Datenqualität auszeichnen und neue Standards für Impact Investing setzen. Allerdings ist die Datenlage noch unübersichtlich. Dadurch ist häufig nur schwer nachvollziehbar, wie sich Investitionen in digitalisierte nachhaltige Assets tatsächlich auf das Klima auswirken.

Das Münchner FinTech Particula baut eine ganzheitliche, automatisch generierte Daten- und Ratingplattform für tokenisierte Real-World-Assets auf. Als „Moody’s für tokenisierte Vermögenswerte“ haben die Gründer:innen sich zum Ziel gesetzt, die Transparenz in dem Sektor zu erhöhen sowie Investierenden und Unternehmen eine fundierte Entscheidungsgrundlage für Investments zu bieten. Particula Mitgründerin Nadine Wilke hat uns im Interview die Arbeitsweise und die besondere Geschäftsidee ihres Start-ups erläutert:

Philipp Misura: Mit Particula sitzt ihr schon fest im Sattel der ReFi-Bewegung. Wo seht Ihr eure Mission und wie wollt ihr diese erfüllen?

Nadine Wilke: Unsere Mission mit Particula ist es, den Markt für tokenisierte Vermögenswerte für professionelle Anleger:innen verständlicher und zugänglicher zu machen. Dabei beschäftigen wir uns vor allem mit der Harmonisierung von Asset-Spezifikationen sowie der Bereitstellung einer zuverlässigen Informationsplattform, die Anleger:innen wertvolle Einblicke für ihre Due Diligence-, Compliance- und Risk-Assessment-Prozesse gewährt.

In diesem Zusammenhang bietet uns insbesondere der Bereich Regenerative Finance, durch seine dynamisch wachsende Adoptionsrate, einen exzellenten Einstiegspunkt sowohl aus Emittenten-, als auch aus Kundenperspektive.

Insbesondere im freiwilligen CO2-Zertifikatehandel kann Blockchain als Infrastruktur sowie die Integration weiterer Emerging Technologies, wie KI (“Künstlicher Intelligenz”) oder IoT (“Internet of Things”) Transparenz, Liquidität und Rückverfolgbarkeit erhöhen.  Durch die zunehmende Digitalisierung des Handels werden Informationsasymmetrien abgebaut und Effizienzsteigerungen erzielt.

Da dies in der Industrie auf Anklang stößt, hat sich ein reges Ökosystem aus verschiedenen Anbieter:innen entwickelt, die an unterschiedlichen Punkten der Wertschöpfung eines Zertifikates ansetzen. Diese Wertschöpfungskette beginnt auf der Kundenseite in der Regel mit Anbieter:innen, die Unternehmen bei der Ermittlung ihres respektiven CO2-Fußabdruckes unterstützen. Auf der Emittenten-Seite entwickeln sie mit Projektentwickler:innen in Asien, Südamerika oder Afrika die entsprechenden Kompensationsprojekte. Was folgt, ist die Auditierung und Verifizierung des Projektes und der gebundenen oder absorbierten Menge CO2 sowie die folgende Ausgabe eines CO2-Zertifikats, das 1 Tonne CO2 repräsentiert.

Die technische Umsetzung der digitalen Repräsentation auf der Blockchain übernehmen Tokenisierungsanbieter:innen. Gleichzeitig integriert eine zunehmende Anzahl von Projektentwickler:innen spezialisierte DMRV-Provider (“Digital Measurement, Reporting & Verification”), die durch die Verwendung von Satellitenbildern oder Remote Sensors neue Datenquellen eröffnen.

Im besten Fall werden diese erhobenen Daten automatisiert und in Echtzeit zur Projektvalidierung transparent und unveränderlich in ein entsprechendes Blockchain-Ökosystem übertragen. Dies stellt natürlich einen Zugewinn im Vergleich zum intransparenten sowie ineffizienten bestehenden Zertifikatehandel dar.

Weitere Anwendungsbereiche für die Integration von Blockchain im Nachhaltigkeitsbereich sehen wir bei jeglicher Art von Impact Zertifikaten (Biodiversität, Wasser, Plastik), im Bereich erneuerbarer Energien, bei Projektfinanzierungen für Windparks oder Solaranlagen, im Bereich Edelmetalle, seltene Erden oder Impact Investments durch strukturierte Produkte wie Anleihen oder Fonds.

Am obigen Beispiel erkennt man jedoch schnell, dass mit der technologischen Integration die Datenmenge und -komplexität steigt. Gleichzeitig ergeben sich neue Implikationen in Bezug auf die regulatorische Behandlung, Verwahrung und den Handel dieser neuen Finanzinstrumente. Damit steigt ebenfalls der Bedarf nach spezialisierten Datenanbieter:innen.

Philipp Misura: Ihr bezeichnet Euch auch als „Moody‘s für digitalisierte Real-World-Assets“. Wie genau meint ihr das und wie sieht das Produkt aus?

Nadine Wilke: Der Aufbau unserer Plattform ist äquivalent zu dem klassischer Rating- und Datenanbieter:innen wie Moody‘s, Sustainalytics oder Bloomberg. Das heißt, wir haben zwar einen Web3 Content, aber Web2 Tech-Stack.

Über die Plattform können unsere Kund:innen nach Tokens suchen, diese filtern und vergleichen sowie die entsprechenden Ratings dazu abrufen. Unsere Ratings bewerten tokenisierte Vermögenswerte dabei auf der Grundlage ihrer technischen, ökonomischen sowie Umwelt- und Compliance-Aspekte.

Neben Analysen für Carbon Tokens liefern wir derzeit Token-Daten aus 25 Assetklassen. Dabei konzentrieren wir uns vorwiegend auf alternative Investments in der Schnittstelle Nachhaltigkeit, werden in Zukunft aber auch die Bewertung sämtlicher tokenisierter Vermögenswerte vornehmen. Beispielsweise Anteile an Immobilien. Dafür aggregieren wir Daten aus frei verfügbaren Quellen und arbeiten zur Datenbeschaffung auch eng mit den entsprechenden Emittenten zusammen.

Unser Business Modell ist ein klassisches Abonnement-Modell. Zusätzlich lizenzieren wir unsere Ratings für die Verwendung auf externen Marktplätzen, Börsen oder den Distributionskanälen der Emittenten.

Philipp Misura: An welche Zielgruppe richtet sich eure Datenplattform hauptsächlich? Wer sind potenziell eure Kund:innen?

Nadine Wilke: Unsere Hauptzielgruppe stammt aus dem Financial-Service-Bereich. Wir fokussieren uns hier insbesondere auf Krypto-Asset-Anbieter:innen und Krypto-Hedgefonds, die ihre Geschäftsfelder erweitern und diversifizieren möchten. Dabei helfen wir ihnen, neue und qualitativ hochwertige Tokens zu identifizieren. Gleichzeitig nehmen wir aber auch ein stetiges Interesse von Marktplätzen und Börsen wahr, die mit der Verwendung unserer Ratings die Kredibilität ihrer vertriebenen Anlagevehikel stärken möchten. Zudem sehen wir zukünftiges Potenzial bei klassischen Asset Manager:innen. Derzeit führen wir dafür Dialoge mit verschiedenen Branchenexpert:innen, um ihre spezifischen Informationsanforderungen besser nachvollziehen zu können.

Zu guter Letzt zeigen aber auch Unternehmen, die schon heute tokenisierte Vehikel für Offsetting nutzen, ein stetiges Interesse an unseren Produkten. Unserer Meinung nach wird sich der Bedarf in diesem Kundensegment in den kommenden Jahren, insbesondere durch die Verschärfung von Offenlegungs- und Reportingpflichten, stetig erhöhen.

Philipp Misura: Im Kontext von Greenwashing spielen Reputation und Datenqualität im ESG-Bereich eine zentrale Rolle. Wie bezieht ihr eure Daten und wie garantiert ihr deren Qualität?

Nadine Wilke: Das ist in der Tat eine Herausforderung. Momentan aggregieren wir einige Daten noch manuell und durch die bilaterale Kommunikation mit Emittenten. Dies erfordert dementsprechend zahlreiche Gespräche und Analysen.  Zudem verwenden wir Daten-Scraper, um auf öffentlich zugängliche Datenbanken zuzugreifen und Informationen direkt von Webseiten und Blockchains, genauer gesagt den entsprechenden Block Explorern, zu beziehen.

Unser Ziel ist es, all diese Prozesse in der Zukunft vollständig zu automatisieren. Es existieren bereits einige Anbieter mit robusten Datenbeständen, die Qualität der Daten variiert allerdings stark. Bei Nature Based Solutions, wie etwa dem Schutz oder der Wiederaufforstung von Wäldern, gestaltet sich die Datenerhebung besonders herausfordernd.

Bei Technology Based Solutions wie Biochar (Pflanzenkohle) hingegen, ist die Datengrundlage durch Lösungen, die die CO2-Speicherung direkt auslesen können, sehr solide und kann in Echtzeit auf die Blockchain übertragen werden.
Zusätzlich existieren weitere klassische Akteure, wie Earthood, die Projekte vor Ort anhand bestehender Qualitätsstandards und -kriterien zertifizieren. Verifizierungsstellen wie Verra und Gold Standard überprüfen nicht nur die Einhaltung von Standards und Kriterien, sondern können auch die Existenz und Umsetzung eines Projekts verifizieren. Diese Kontrollen gewährleisten die Glaubwürdigkeit und Transparenz des Projekts.

Allerdings hat insbesondere Verra, aufgrund der Vergabe einer zu hohen Anzahl von CO2-Zertifikaten für Aufforstungsprojekte und der daraus resultierenden Überschätzung der Projektwirkung, in den letzten Monaten Kritik einstecken müssen.

Dies verdeutlicht die bestehenden Ineffizienzen am traditionellen Markt und den Bedarf für die Integration neuer Technologien wie Blockchain, AI und IoT, um die notwendige Transparenz und das dazugehörige Vertrauen zu schaffen.

Philipp Misura: Wen seht ihr als Wettbewerber:in im Markt für Ratings und Analysen über die Plattform? Andere Start-ups und FinTechs oder etablierte Akteur:innen wie MSCI oder Morningstar mit Sustainalytics?

Nadine Wilke: In Gesprächen mit etablierten Rating Anbieter:innen wurde uns mitgeteilt, dass ein hohes Interesse an unserem Geschäftsmodell besteht. Gleichzeitig besitzt die klassische Industrie jedoch selbst kaum bis keine Expertise in diesem Bereich.  Im Gegensatz zu denjenigen, die Firmen basierend auf ihrer Kreditwürdigkeit oder ESG-Kriterien bewerten, fokussieren wir uns auf Token als ganzheitliche Finanzinstrumente, die wiederum Bezugsrechte für reale Vermögenswerte verbriefen. Diese beiden Ansätze lassen sich nicht direkt miteinander vergleichen.

Auf der anderen Seite existieren Start-ups, die in ähnlichen Bereichen agieren, wie der Bewertung von Kryptowährungen. Und für die Funktionsweise des Krypto-Marktes besteht definitiv der Bedarf nach mehreren Datenplattformen und Rating-Anbieter:innen. Daher sehen wir eine zunehmende Konkurrenz nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung. Es erfordert erhebliche Anstrengungen, in dieser dynamischen und wachsenden Branche Daten zu aggregieren sowie einen komplexen Rating-Algorithmus zu entwickeln. Der Wettbewerbsvorteil, den wir hier mittlerweile aufgebaut haben, ist beträchtlich.

Philipp Misura: Was benötigt ihr aktuell, um weiter wachsen zu können? Entwickler:innen, Investor:innen oder Multiplikator:innen?

Nadine Wilke: Im dritten Quartal 2023 beginnen wir mit der Strukturierung unserer nächsten Finanzierungsrunde. Hierfür sind wir im Gespräch mit potenziellen Lead-Investoren aus der Finanzbranche, greifen aber auch gerne weitere Kontakte auf. Darüber hinaus launchen wir mit dem Frankfurt School Blockchain Center derzeit ReFi-Talents, ein 18-wöchiges Ausbildungsprogramm in der Schnittstelle zwischen Nachhaltigkeit und Web3, für das wir weitere Sponsor:innen und Interessierte annehmen.

Um unsere Produkte marktnah weiterzuentwickeln sowie notwendiges Feedback zu aggregieren, bieten wir potenziellen Nutzer:innen zudem an, unsere Plattform zu testen.

Unser Gespräch zeigt: Es herrscht Pioniergeist im ReFi-Sektor. Infrastruktur und Finanzierungsinstrumente befinden sich noch im Aufbau, während die Datenlage und -qualität für nachhaltige Investments vielfältig ausfällt. Neue Technologien, hochqualitative Datensätze, präzise, unabhängige Ratings und nicht zuletzt eine verstärkte Regulierung können maßgeblich dazu beitragen, das Vertrauen in ReFi und innovative Finanzprodukte zu stärken und Investitionen effektiver in bedeutungsvolle Klimaprojekte zu leiten.


Kontakt zum Autor

Philipp Misura
E-Mail: Philipp.Misura@horn-company.de

Kontakt zum Autor

Nadine Wilke
Co-Founder & CGO, Particula
https://particula.earth/en/